Was sind Gruppen?

Kategorie: Theorie-Impulse

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Illustration von zwei Personen, die links und rechts neben einer großen Glühbirne stehen – Symbol für eine Idee oder Innovation. Die linke Person hält ein Klemmbrett und hat eine Denkblase über dem Kopf, die rechte Person hält ein Blatt Papier mit Text. Um sie herum befinden sich Symbole wie Zahnräder, Dollarzeichen und Dokumente, die Planung, Technik und Finanzen darstellen. Am unteren Bildrand sind Pflanzen zu sehen. Das Bild vermittelt den Eindruck von gemeinsamer Ideenentwicklung und Projektplanung.

Die Arbeit mit Gruppen ist in der Sozialen Arbeit Alltag. Sie ist einerseits eine Querschnittsaufgabe in der Sozialen Arbeit. Andererseits kann Gruppenarbeit – neben der Einzelfallhilfe und der Gemeinwesenarbeit – auch methodisch eingesetzt werden. Wichtig: Es ist ein Unterschied, ob ich mit Gruppen arbeite oder ob ich Gruppenarbeit methodisch, das heißt: geplant und gezielt, einsetze. Bevor wir zu diesem Thema kommen, müssen wir zuerst klären: Was sind denn überhaupt Gruppen? Ein Blick in die Literatur zeigt: Das ist gar nicht so eindeutig. 

Wann spricht man von einer Gruppe? 

Wir haben drei Varianten zur Bestimmung von Gruppen herausgesucht: 

In der ersten Variante handelt es sich dann um Gruppen, wenn zwei oder mehr Personen miteinander über eine gewisse Zeit hinweg interagieren (Edding 2009: 57 zit. n. Herz 2017: 9). 

In der zweiten Variante handelt es sich dann um Gruppen, wenn eine bestimmte Anzahl an Gruppenmitgliedern ein gemeinsames Ziel (Gruppenziel) verfolgen und über eine längere Zeit in einem „relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozeß“ (Schäfers 1994: 20 f., zit n. Herz 2017: 14) stehen. Dieser Kommunikations- und Interaktionsprozess umfasst erstens die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls (Wir-Gefühl). Zweitens werden gemeinsame Normen festgelegt und es erfolgt eine Verteilung der Aufgaben, die in der Gruppe anfallen. Diese werden in gruppenspezifischen Rollen sichtbar (vgl. Herz 2017: 14). 

In der dritten Variante handelt es sich dann um Gruppen, wenn Individuen an verschiedenartigen Orten zusammenkommen und es bei diesem Zusammenkommen zu einer Wechselwirkung der Individuen kommt. Diese Wechselwirkung alleine reicht nicht, vielmehr kommt es durch diese zu einer mehr oder weniger festen Verknotung von Lebens- und Erlebenslinien mehrerer Individuen (Simon/Wendt 2022: 42). 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede 

Es wird bereits bei diesen drei Beispielen deutlich: Es gibt Gemeinsamkeiten in der Bestimmung von Gruppen, aber teilweise auch größere Unterschiede, wann man von einer Gruppe spricht. In der folgenden Tabelle haben wir den kleinsten gemeinsamen Nenner und die vielen Variationen festgehalten: 

Deutlich wird damit auch: Ein gemeinsames Verständnis von Gruppen kann nicht einfach vorausgesetzt werden. Es braucht wiederkehrend eine Verständigung dazu, wer was unter Gruppe versteht bzw. damit meint. Der gemeinsame Kern von Gruppen: es geht um soziale Interaktion, um gemeinsame Ziele, ein Wir-Gefühl und um spezifische Rollen (vgl. Herz 2017: 14; Edding 2009: 57; Simon/Wendt 2022: 42) – eine Ausdifferenzierung und was hieraus für Soziale Arbeit folgen kann, darauf gehen wir in den anderen Beiträgen genauer ein.  

Weitere Unterscheidungsmerkmale 

Neben den bisher genannten Möglichkeiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren, gibt es noch weitere Merkmale, die herangezogen werden können. Zum Beispiel durch eine Unterscheidung nach Zielen, Werten und Normen. Oder nach der Organisation der Gruppe, der sozialen Interaktion in der Gruppe, der physischen Nähe, der Dauer oder des gegenseitigen Einflusses der Gruppenmitglieder (vgl. Simon/Wendt 2022: 42 f.). 

Natürlich können Gruppen auch entlang der Größe unterschieden werden; Herz (2017: 10) unterscheidet hier beispielsweise nach Kleingruppen (bis ca. 6 Personen), einer Gruppe (bis ca. 30 Personen) und einer Großgruppe (bis ca. 35 Personen) (vgl. Herz 2017: 10). 

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit besteht darin, den Entstehungskontext zu betrachten. So können Gruppen entweder zufällig, geplant oder institutionell entstehen (vgl. Simon/Wendt 2022: 43). 

Darüber hinaus kann es sich bei Gruppen um formale Gruppen, informelle Gruppen, offene Gruppen, semi-offene Gruppen oder geschlossene Gruppen handeln. Formale Gruppen sind rational organisiert, bewusst geplant und eingesetzt und klar nach außen abgegrenzt.  

Im Unterschied hierzu sind informelle Gruppen eher personenorientiert und emotionsbetont. In diesen sind Gruppenmitglieder wegen der emotionalen Bindung nicht beliebig austauschbar und es findet eine geringere Abgrenzung nach außen statt. 

Es gibt informelle Gruppen mit sowie ohne formales Regelsystem; eine besondere Form sind spontane informelle Gruppen (vgl. Simon/Wendt 2022: 43). 

Eine weitere Unterscheidung von Gruppen kann entlang ihrer Orientierung an der inneren bzw. äußeren Umwelt vollzogen werden (vgl. Schattenhofer 2009: 22), beispielhaft sind im Folgenden verschiedene Gruppenformen bzw. Anlässe für Gruppen dargestellt:

Funktionen von Gruppen 

Gruppen erfüllen außerdem spezifische Funktionen für die Gruppenmitglieder. Dies können sein: 

Gruppen können Bezugssystem, ein Ort für soziale Lernprozesse und/oder eine Arena von Handlungen, Findungsprozessen und Konflikten sein. Sie können ein Ort sein, der Sicherheit vermittelt, oder ein Ort, in dem manipulative, abhängig machende Einflüsse auf die Gruppenmitglieder ausgeübt werden. 

Im Jugendalter können Peergruppen überdies als Sozialisationsinstanz wirken, sie können zu Orten der Identitätsbildung werden. Sie können ein Ort sein, an denen die Gruppenmitglieder Beziehungen, Anerkennung und die Ausbildung von Selbst- und Verselbstständigungsprozessen erproben. Gruppen können zum Möglichkeitsraum in der Jugendphase werden.  

Gruppen können überdies Erfahrungen von Zugehörigkeit und Zusammenhalt sowie Anerkennungserfahrungen ermöglichen (vgl. Ader 2013: 433f.; Schröder 2013: 155, 156, 433; Simon/Wendt 2022: 42, 79, 92). 

Reflexionsfragen: 

 

Verwendete Literatur: 

Ader, Sabine (2013): Arbeit mit Gruppen. In: In: Deinet, U./Sturzenhecker, B. (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: VS Verlag, S. 433-437 

Edding, Cornelia (2009): Kleingruppenforschung – Geschichte, aktueller Stand, Bedeutung für die Praxis. In: Handbuch Alles über Gruppen. Theorie, Anwendung, Praxis. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, 2. Auflage, S. 47-85 

Herz, Birgit (2017): Gruppen leiten. Eine Einführung für pädagogische Praxisfelder. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich 

Schattenhofer, Karl (2009): Was ist eine Gruppe? Verschiedene Sichtweisen und Unterscheidungen. In: Handbuch Alles über Gruppen. Theorie, Anwendung, Praxis. Weinheim und Basel: Beltz Juventa, 2. Auflage, S. 16-46 

Schröder, Achim (2013): Gruppen, Clique, Freundschaft. In: Deinet, U./Sturzenhecker, B. (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: VS Verlag, S.155-157 

Simon, Titus/Wendt, Peter-Ulrich (2022). Lehrbuch Soziale Gruppenarbeit. 2., überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa 

 

Du möchtest mehr erfahren? Dann lies gerne in Transfer und Reflexion weiter: Kennzeichen von Gruppen


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